Aus dem Oktober KiBo

Pens Südtirol (Foto: Corina Art)

Text von Pfarrer Christian Stahmann
Wenn Christen im 21.Jahrhundert beten, knüpfen sie an eine Jahrtausende alte Kultur an. In der Antike waren es zunächst Opfer, Früchte des Feldes oder geschlachtete Tiere, die auf einem Altar verbrannt wurden. Der Rauch der Opfer stieg in den Himmel, um dort oben Gott zu erreichen. Später, also etwa vor 2000 Jahren, haben dann in Israel Gebete die Opfergaben am Altar ersetzt. Die Idee war aber noch immer vergleichbar: Was auf Erden geschieht, ein stilles oder ein laut gesprochenes Gebet, soll den Raum überwinden und dorthin schweben, wo Gott zu Hause ist. Natürlich war den Menschen schon damals bewusst, dass Gott nicht an einem festen Ort thront, sondern durchaus im Inneren der Seele erreichbar sei. Doch Gebete sind eben mehr als nur eine diskrete Zwiesprache mit Gott, sie verbinden unsichtbar Menschen miteinander, die an ganz unterschiedlichen Orten zu Hause sind. Dieser Vorstellung zufolge weben Gebete einen unsichtbaren Teppich der Gemeinschaft, weltweit. Heute durchaus mit
dem World Wide Web vergleichbar.

Eine spannende Verknüpfung von realen Gebeten und wirklichen Menschen sind Gebetskarten, die mit Hilfe von Luftballons in die Höhe steigen, irgendwo wieder landen und eventuell gefunden werden. Die Kirchgemeinde Scherzingen-Bottighofen hat dieses besondere Gebetsexperiment zweimal in diesem Sommer veranstaltet. Einmal im Rahmen des Auffahrtsgottesdienstes an Himmelfahrt (29.Mai), das andere Mal anlässlich des Waldgottesdienstes vier Wochen später und der Taufe von Oskar. Bei der ersten Ballonaktion schrieben die Gottesdienstteilnehmer Gebete auf vorgedruckte Karten, beim Waldgottesdienst ging es um Segenwünsche für den Täufling. – Tatsächlich kamen einige dieser Karten wieder zurück nach Scherzingen. Sie erzählen wunderbare Geschichten der zufälligen Verknüpfung zwischen der Kirchgemeinde und Menschen im Thurgau, Deutschland, Österreich und Südtirol.

Hier eine erste Geschichte. Sie stammt aus Südtirol:
Pens, Sarntal, Südtirol
Sehr geehrter Herr Pfarrer!
Gestern, 29. Juni 2025 fand ich zwei Ballons, die noch etwas tänzelten, bevor sie sich im Gras niederliessen. Ich staunte, wie schnell diese Ballons so weit fliegen konnten. Der Westwind fand genau uns. Wir wohnen am letzten Hof unterm Penser Joch auch 1560m. Mein Mann heisst Peter, ein Sohn (aus Ehe mit verstorbenem Mann) heisst Peter und ein Enkel heisst Paul. Unsere Pfarrkirche ist Petrus und Paulus geweiht. Nun wünsche ich Ihnen und der Kirchgemeinde einen schönen Sommer, weiterhin Freude an solchen Aktionen und dem kleinen Oskar ein gutes Leben. Maria.

Spannend. Die Karte vom Bodensee ist gen Südwesten geflogen, über das Fürstentum Liechtenstein hinweg, am Arlberg vorbei, hat vielleicht die 3770m hohe Wildspitze gestreift und landete schliesslich im italienischen Sarntal. 300km von Scherzingen entfernt.

Eine zweite Geschichte. Anton aus Hohenweiler in Vorarlberg hat sie geschrieben:
Liebe Pfarrgemeinde Scherzingen-Bottighofen,
an Christi Himmelfahrt habe ich in Hohenweiler (Vorarlberg) (Österreich) eure Postkarte gefunden, die ihr mit einem Luftballon in den Himmel geschickt habt. Es war eine besondere Überraschung, so eine Karte zu entdecken – vielen Dank dafür! Ich habe sie noch am selben Tag gefunden, aber erst jetzt die Zeit gefunden euch zurückzuschreiben.
Mein Name ist Anton, ich bin 15 Jahre alte und wohne mit meinen Eltern und meinen drei Geschwistern auf einem Bauernhof in Hohenweiler. Wir führen einen Bio-Heumilchbetrieb mit Kühen, Hühnern und Katzen. Besonders die Hühner sind mein grosses Hobby.
Ich gehe in die Landwirtschaftsschule in Höhenems und bin seit meiner Erstkommunion Ministrant. Seit letztem Jahr bin ich auch Mesner – und laut der Diözese sogar der Jüngste Vorarlbergs.
Viele Grüsse aus Vorarlberg. Anton

Neben diesen beiden haben noch viele weitere Personen Himmelfahrts- und Waldgottesdienstkarten gefunden und sich die Zeit genommen, einen Brief nach Scherzingen zu schreiben. Eigentlich wäre es jetzt an uns, diesen Menschen in Märstetten und Hugelshofen (Thurgau), Ofterschwang bei Sonthofen (D), Koblach in Österreich, Aresing bei Sonthofen (D) oder in Friedrichshafen (D) eine Antwort zu schreiben, oder? Vielleicht eine Aufgabe für den neuen Konf-Kurs.

Zum Schluss noch eine dritte fröhliche Karte. Livio aus Bänikon hat sie (wahrscheinlich mit Hilfe der Mama oder des Papas) geschrieben. Voller Bulldog- und Mäuse-Stickers:
Hooi liäbä Oskar
I ha diä zwo Chartä bi üs in Bänikon inere Wiese gfunde, woni mit em Opa und em Brüeder bi go muusä.
Liäbi Grüess
Livio (5 Jahr alt)
Bereitgestellt: 23.09.2025     Besuche: 31 Monat