«Hoi Feriä» oder wenn Urlaub ist das schönste Laub ist

Juni_Juli KIBO (Foto: Bernhard Zaugg)

Von Bernhard Zaugg, Präsident Kirchenvorsteherschaft
«Hoi!», die freundliche Begrüssung der SchweizerInnen und Schweizer für «Hallo» oder das freundschaftliche «Guten Tag» bringt vielfach ein Gefühl von Herzlichkeit und Offenheit mit sich. In den Niederlanden hat der Ausruf gemäss Wikipedia ursprünglich die Bedeutung, Freude kundzutun und bei den Schwaben wir dieser oft verwendet, um Erstaunen und Verwunderung auszudrücken.

Nun ist mir klar, dass die speziellen und sehr beliebten Thurgauer «Hoi-Feriä», welche jetzt beginnen, an vielen Orten ein Erstaunen auslösen. Ja, die «Heuferien» sind für einige «Hoi Feriä» und für viele «Hoi! Ferie?»

«Was? Du hast schon wieder Urlaub?» hört der eine oder andere direkt oder indirekt auch über Blickkontakte dann. Betrachtet man das deutsche Wort «Urlaub» genauer, entdecken wir darin auch zwei spannende Bestandteile: «Ur» und «Laub». Das Präfix «Ur-» begegnet uns in vielen Begriffen wie «Ursprung», «Urzeit» oder «Urvertrauen». Es steht für das Ursprüngliche, das Erste, das Fundamentale. Es erinnert uns an den Anfang, an das, was schon immer da war – an die Wurzeln des Lebens. Das «Laub» wiederum bezeichnet das Blattwerk der Bäume, das uns besonders im Sommer von der Sonne und der Hitze schützt. Laub steht für Natur, für Wachstum, für Erneuerung und für die Schönheit der Schöpfung, die uns umgibt. Setzen wir diese beiden Bedeutungen zusammen, wird «Urlaub» zu Ferien und somit zu mehr als nur einer arbeitsfreien Zeit. Es ist sozusagen die Rückkehr zum Ursprung, zum Natürlichen, zum Wesentlichen. Wie sagt man auch so schön, «Urlaub ist das schönste Laub». Ja, Ferien schenken uns neue Lebenskraft, lassen uns aufblühen und bringen «Farben» in unseren Alltag. Es ist eine Zeit, in der wir uns von den Anforderungen des Alltags lösen können und es erlaubt uns, einfach zu sein – so ursprünglich wie das erste Laub im Frühling, so stark wie das Laubdach im Sommer und so farbenfroh wie das Herbstlaub.

Vergleichen wir nun «Urlaub» mit dem in der Schweiz geläufigeren Begriff «Ferien», fällt folgendes auf: «Ferien» stammt vom lateinischen «feriae» und bedeutet ursprünglich «Festtage» oder «Ruhetage». Während «Urlaub» die Erlaubnis und das Zurück-zum-Ursprung betont, schwingen bei «Ferien» Leichtigkeit, Freude und Festlichkeit mit. Beide Begriffe stehen jedoch für eine Zeit, in der wir uns von der Routine lösen, neue Erfahrungen sammeln und das Leben geniessen dürfen. Gerade wir hier in Scherzingen-Bottighofen haben das grosse Privileg, in einer schönen Landschaft zu leben. Ist Ihnen das bewusst? Wir wohnen da, wo andere Urlaub machen! Für viele Menschen sind die Schweizer Berge, die klaren Seen, die grünen Wälder und Wiesen und die malerischen Dörfer und Städte Sehnsuchtsorte, für die sie weite Reisen auf sich nehmen. Was für andere ein Traumziel ist, ist für uns Heimat. Oder wann haben Sie das letzte Mal auf ihren Reisen die Landschaft mit der Schweiz verglichen und gesagt: «das g’seht us wie… im Engadin, … im Thurgau… usw.»

Was für andere Menschen ein Traumziel ist, ist für uns Heimat. Doch wie oft nehmen wir diese Schönheit im Alltag als selbstverständlich hin? Vielleicht sollten wir öfter innehalten, mit den Augen eines Gastes auf unser Land blicken und die kleinen Wunder vor unserer Haustüre neu entdecken.
«Hoi Feriä» oder Urlaub erinnert uns daran, wie wichtig es ist, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, zur Ruhe zu kommen und neue Kraft zu schöpfen. Es ist eine Einladung, das Ursprüngliche in uns und um uns herum wiederzuentdecken und zu schätzen - egal ob man Ferien hat oder nicht. Mögen wir diese Momente bewusst geniessen und dankbar annehmen, denn manchmal liegt das Paradies direkt vor unserer Haustür.

Jetzt verstehe ich die andere Bedeutung von «Ur-laub ist das schönste Laub». Das Laub wird zum Sinnbild für den Schutz, den wir im Leben brauchen – sei es durch die Natur, durch unsere Mitmenschen oder durch unseren Glauben. So wie das grüne Blätterdach uns in der Natur einen Schutz bietet, so dürfen wir vertrauen, dass Gott uns auf all unseren Wegen behütet und begleitet. Egal ob im Urlaub oder im Alltag. Überall dort, wo wir sind, dürfen wir uns geborgen fühlen – wir alle sind unter dem schützenden Dach von Gottes Liebe.
Kaum habe ich den vorhergehenden Text geschrieben, erstaunen mich zwei Punkte hinsichtlich Ur-laub. Erstens: Die Ferien sind bereits in der Bibel beschrieben…Ja, im Matthäus 11, 28, steht: «Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken.» Und zweitens erblicke ich ein Papierblatt, auf das unser Sohn «Gott beschützt uns» geschrieben hat. Woher er es hat, ist mir nicht bekannt. Und wer ihm das vorgeschrieben hat, weiss ich auch nicht. Klar ist, dass er es nicht einfach so ohne Hilfe hätte schreiben können. Oder doch? – Eine ist jetzt klar - Ich brauche definitiv Ferien, um den Kopf zu lüften.

In der Tat gönne ich mir eine Auszeit. Dies nicht nur im Rahmen der «Hoi-Feriä», sondern auch mit meinen Beiträgen, welche Sie im Umhefter des Kirchenboten lesen konnten. Seit meinem ersten Artikel vom August 2023 sind unterdessen zwei Jahre vergangen. Dabei war die Themenwahl nicht immer einfach, meistens sehr kurzfristig eingereicht und mit der Hoffnung, dass diese jemand auch lesen würde. Zwischenzeitlich habe ich viele positive Rückmeldungen von Ihnen erhalten, was mich sehr freute und für die ich mich sehr bedanke.

Falls sie den Gottesdienst vom 11.05.2025 besucht haben, wissen sie, dass unser Pfarrer Christian Stahmann ein Experiment gestartet hat. Denn alle Kirchen der Welt haben Menschen dazu beauftragt, als Seelsorgende unterwegs zu sein. Seelsorgerinnen und Seelsorger kümmern sich um das Unsichtbare in uns. Und das Zuhören ist die eigentliche Aufgabe. Seelsorge ist Zuhören. Gerne würde Christian Stahmann Ihnen einfach zuhören. Zuhören, was Sie bewegt, erfreut oder auch traurig macht. Den Inhalt des Gesprächs bestimmen Sie. Völlig klar: Alles, was Sie erzählen, bleibt vertraulich. Wenn Sie Interesse an einem Gespräch über Gott und die Welt haben, dann melden Sie sich bei Christian Stahmann per Post, Mail oder Telefon. Die Kontaktdaten finden Sie hier im Umhefter. Wer weiss, vielleicht erkennen Sie ab August einmal Ihre Geschichte als anonymisierten Bericht hier im Kirchenboten wieder.

In dem Sinne «b’hüet Sie Gott und gLAUBed Sie üs» – wir hören zu.
Bereitgestellt: 10.06.2025