S’AMEN ist der SAMEN

Weltgebetstag 2025 (Foto: Corina Art)

Von Bernhard Zaugg, Präsident Kirchenvorsteherschaft
Der 9. März war ein strahlender Sonntagmorgen, als unser neuer Pfarrer Christian Stahmann zum ersten Mal im schwarzen Talar in der Kirche stand. Die Bänke waren gut gefüllt und ein Meer aus erwartungsvollen Gesichtern blickte zu ihm vor. Der Duft von frischen Blumen und neuem Wind erfüllte den Raum und das Sonnenlicht tanzte durch die bunten Kirchenfenster.

Nach einem kurzen «Herzlich willkommen» durch die Vorsteherschaft und dem Eingangsspiel konnte man die Erleichterung bei einigen Kirchenbürgerinnen und -bürger förmlich hören. «s’Amen isch cho und en guete Übergang zum Gliichnis vom Sämann us em Matthäus 13 het er au g’macht.» Was dann folgte, war «Handtaschentheorie» im Kontext mit dem Gleichnis vom Sämann – aber mit einem modernen Twist. Die Samen sind die Ideen und Botschaften, welche man in unsere Welt streut. Manche unserer Nachrichten landen direkt «auf der Strasse» oder im «digitalen Nirgendwo», wo sie von Algorithmen «verschluckt» werden und nie ankommen. Einige landen zwar auf steinigem Boden, doch sie verbreiten sich rasend schnell und man spricht darüber. Aber nach zwei Tagen sind diese bereits wieder vergessen. Einige werden von Dramen und Negativität erstickt. Aber manchmal trifft eine Mitteilung genau ins Herz der Gesellschaft. Dann verstehen die Leute die Worte, teilen diese und lassen sich davon inspirieren.» Ich glaube, dass an diesem Sonntagmorgen der Samen auf guten Boden gefallen ist. Die Kirchengänger haben verstanden, dass wir alle dieser Boden sind. Was lassen wir in unser Herz? Sind wir bereit für Inhalte, die wirklich etwas bewirken können? Nur so können wir zusammen wachsen!»

Gewachsen aus einem der Samen ist das zarte Pflänzchen mit Namen Verein Weltgebetstag Schweiz. Er ist ein Teil der weltweiten christlichen, ökumenischen Frauenorganisation und richtet sich nach der Deklaration von Sambia 1978. Diese sagt aus, dass die Charismen der Frauen gefördert werden und dadurch die Gesellschaft gestärkt wird. Jedes Jahr am ersten Freitag im März laden sie alle zum Feiern eines gemeinsamen Gebetstages ein. Gross war meine Freue wie das Amen in der Kirche, als ich an dem Freitagabend den Spirit der acht Damen spüren durfte. Danke euch herzlich für diesen Moment der Gemeinschaft.

Tage später beschäftigen mich die genannten Themen noch. Ist es in der Tat eine Gemeinschaft oder ist es eher «gemein», dass ein Teil «schafft»? Wir unterstützen mit den Märzkollekten das Hilfswerk der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (HEKS). Eine «Genossenschaft», die sich für eine gerechte Welt und ein Leben in Würde für alle einsetzt. Aber ist es in der Realität nicht so, dass ein Teil bereits «genossen» hat, während der Andere noch «schafft». Ist das Gleichberechtigung?

Trotz Fortschritten in der Gleichstellung gibt es auch heute noch zahlreiche Bereiche, in denen Frauen benachteiligt sind. Frauen und Männer in der Schweiz haben gemäss Art. 8 Abs. 3 der Bundesverfassung (BV; SR 101) Anspruch auf den gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Trotzdem bestehen gemäss dem Bundesamt für Statistik immer noch nicht-erklärbare Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern. So verdienten Frauen im Jahr 2022 in der Schweiz durchschnittlich 1.364 Franken weniger pro Monat als Männer für gleichwertige Arbeit.

Diese Lohnunterschiede sind oft nicht erklärbar und bestehen trotz gesetzlicher Vorgaben zur Lohngleichheit. Hier tritt auch die Gemeinschaft mit mehr als der Hälfte der Unternehmen hervor, welche ihre Pflicht zur Durchführung von Lohngleichheitsanalysen nicht erfüllt und nicht ernst nimmt. Des Weiteren teilen sich nur 13 % der Paare mit kleinen Kindern die Erwerbsarbeit gleichmäßig auf, obwohl dies für viele die Idealvorstellung ist. Und seit Anfang 2025 wurden in der Schweiz acht Femizide registriert – ein Femizid pro Woche. Gewalt gegen Frauen bleibt ein gravierendes Problem, und die Schweiz weist Femizide nicht einmal systematisch in ihrer Kriminalstatistik aus. Schlussendlich berichten fast 60% der arbeitenden Frauen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz!

Und auch in der Kirche bekommen die Frauen für den Weltgebetstag nicht die sonntägliche Hauptbühne! Das werden wir ändern und dieser Tradition im 2026 «s’Handtäschli» um die Ohren schlagen. Ein solcher Anlass gehört ins Herz der Kirche, da er uns in unseren Herzen berührt. Wäre es nicht wunderbar, einmal das Kirchenschiff voll von Handtaschen zu sehen als Symbol und Zeichen für die ungleiche Verteilung von Verantwortung und Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern, als multifunktionales Werkzeug, Transportvehikel, Notfallkoffer und Finanzzentrum und als Identität jeder anwesenden Frau zweck Symbol der Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.

So «Handtaschenfraktion» - nehmt eure Taschen, stellt euch vor den Spiegel und beginnt mit dem folgenden Spruch an zu säen:

Ich bin lebendig,
weil ich eine
Kämpferin bin.
Klug, weil ich
Fehler
gemacht habe.
Ich kann lachen,
weil ich
die Traurigkeit
kenne.
Ich bin eine stolze
und starke Frau,
die es durch
harte Zeiten geschafft hat
und es gelernt hat,
im Regen zu tanzen.


In dem Sinne b’hüet Sie Gott und lassen Sie die Katze aus dem Sack/Tasche. Amen.
Bereitgestellt: 01.04.2025     Besuche: 34 Monat