Monatsgedanke Dezember - Das Christkind im Müll

Christkind im Müll (Foto: Gabriele Weiss)

Stellen wir uns eine Familie im Weihnachtszimmer vor, sagen wir Familie Neumann. Wie jedes Jahr haben sie einen grossen Berg an Geschenken, obwohl gar nicht jeder jedem was schenkt.
Und sie packen aus und packen aus.
Hinterher liegt da ein Riesenberg an Packpapier, Zeitungspapier von der ökologischen Tante und glitzerndem Geschenkpapier. Das nervt Papa Neumann. Vor dem Nachtessen räumt er alles noch zusammen und tut es in den Müll. „Jetzt haben wir wieder eine Weihnachtsstube“ atmet er auf, und alle setzen sich zu Tisch.
Nach dem Essen gehen die Kinder wieder zum Weihnachtsbaum und den Geschenken. Tom rückt die Krippenfiguren wieder gerade: Esel, Ochse, die Hirten, Maria und Josef und…. „Da fehlt das Jesuskind!“ ruft er. „Hat jemand das Jesuskind gesehen?“ Alle sind aufgebracht und suchen: Kinder, Eltern und Grosseltern.

„War es denn vorher da?“ „Wo könnte es denn hin sein?“ „Es ist ja so klein!“ Auch unter dem Teppich ist es nicht. „Sollte es mit dem Papier im Müll liegen?“ fragt Miriam. Alle stürmen in die Küche. Nun holt Papa Neumann alles wieder aus dem Müll heraus: Zeitungspapier, Packpapier und da, tatsächlich, als Miriam das rote Geschenkpapier auffaltet, hat sie das Jesuskind in der Hand. „Das ist ja gerade nochmal gut gegangen!“ meint Tom. Er legt es in die Krippe und als keiner hinschaut, streichelt er es.

Sind die Neumanns jetzt die kompletten Chaoten? Oder hätte das auch bei uns oder um die Ecke passieren können? Weihnachten ohne Christkind geht nicht, oder?
Was gehört zu Weihnachten? Was brauche ich, damit es Weihnachten wird?
Da gibt es Traditionen, bestimmtes Essen, Geschenke, einen Baum oder auch keinen, bestimmte Gäste und in einigen Familien eine Krippe und einen Gottesdienstbesuch.
Würden wir woanders feiern, vielleicht in Tansania, dann hätten wir einiges nicht und schon gar keinen Schnee.
Viele unserer anderen Traditionen sind pädagogische Weihnachtselemente. Über die Jahrhunderte sind sie gewachsen:
Die Liebe Gottes drücken wir mit Geschenken aus, so sagen wir. Es ginge auch anders.
Wenn wir den Weihnachtsabend so anschauen, dann bleibt zweierlei: die Gemeinschaft und das Jesuskind … das gehört zu Weihnachten. Das gehört zu diesem Fest. Weniger geht nicht.

Und nun liegt das Jesuskind im Müll.
Zuviel anderes war wichtig, wie einen inneren Katalog arbeiten wir ab, bis dann Weihnachten sein kann. Eigene Erwartungen und fremde Erwartungen halten uns auf Trab, selbst noch am Abend selbst. Hören wir dann noch Jesu Stimme? Was ist denn seine Botschaft? „Gott wird Mensch, weil er euch Menschen liebt. Gott wird Mensch, weil er dich Mensch liebt.“
Das ganze Packpapier und Geschenkpapier gibt es nicht nur am Weihnachtsabend sondern auch im normalen Leben: Was hindert uns, die Botschaft von Jesus zu hören, mit ihm in ein Gespräch zu treten?
Es gibt so vieles, das uns überhören lässt: „Du bist geliebt. Gott will mit dir zu tun haben.“
Wenn wir schon aufräumen, dann wäre es gut, das wegzuräumen, was uns vom Jesuskind fernhält. Das mag bei jedem etwas anderes sein:
Die ganz normale Ablenkung, weil immer etwas los ist.
Zu schmerzhafte Erfahrungen, die zu vorsichtig machen, eine neue Erfahrung zu wagen.
Die Angst einen Fehler zu machen.
Zu hohe Erwartungen an uns selbst: „Der Gedanke, du bist erst geliebt, wenn du ganz viel geleistet hast.“
Ja, da stehen wir wie neben den Neumanns und durchforsten das Altpapier. Aufs Leben gesehen kann das dauern.
Das Gute ist, dass Jesus sich selbst in unserem Müll von uns finden lässt.
Ja, genau das bedeutet Weihnachten: Gott kommt uns in Jesus entgegen, weil er um all unsere Hindernisse, Denkmuster, Konsumwelten und Traditionen weiss, darum kommt Gott auf uns zu.
Selbst wenn wir Jesus diesmal nicht finden, Gott findet uns und birgt uns in seiner Liebe. Und wenn wir Gott auch bemerken, dann ist Weihnachten, wie wir es uns nur wünschen können.

Eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit,
und einen guten Rutsch ins Jahr 2023

wünscht Ihre Pfarrerin
Gabriele Weiss
Bereitgestellt: 27.11.2022