Monatsgedanke Oktober
Schubkarre (Foto: Dieter Schütz /pixelio)
Grosse Schubkarre
Am Thurgauer Kirchensonntag war ich schon am frühen Morgen auf dem Festgelände in Affeltrangen.
Auf meinem Weg vom Parkplatz zum Einsingen in die Kirche kam ich am Festzelt vorbei. Fleissige Helferinnen und Helfer bestückten die Festtische mit den Utensilien des Tages: ein Liedblatt, der Rätselwettbewerb, Löffel für die Suppe am Mittag und kleine Getränkeflaschen.
An dem Getränkelastwagen fielt sie mir auf:
Eine Frau in den Dreissigern, Pferdeschwanz, Tattoos links und rechts auf den Oberarmen und eines im Nacken. In eine Schubkarre lud sie die Getränkeflaschen vom Lastwagen, um sie ins Festzelt zu schieben. Wir lächelten uns kurz zu. Sie hatte gute Laune und wirkte so kraftvoll.
Am nächsten Tag kam sie mir wieder in den Sinn: Eine starke Frau wie in Sprüche 31.
Dort beschreibt das Buch der Sprüche eine wirklich patente Frau: vom Färben der Wolle, bis zum Keltern des Weins, dem Handel mit Gewändern, von der Organisation der Wirtschaftseinheit mit Kindern, Mägden und Knechten bis hin zur Weisheitslehrerin. Viele Aufgaben werden aufgezählt, die diese Frau alle hervorragend erledigt.
„Gebt ihr Anteil am Ertrag ihrer Hände, denn ihre Werke rühmen sie in den Stadttoren!“
Foto: Schubkarre Untertitel: Foto: Dieter Schütz/ pixelio
Wie oft gehen wir an Menschen vorbei, die gerade einfach ihre Arbeit tun, dies aber wirklich gut machen, ja hervorragend. Wenn sie es nicht tun würden, dann würden wir es merken.
Wie blicken wir darauf, wenn wir selbst vielleicht auch eine einfache Aufgabe übernehmen wie das Spülen, das Fegen, Wischen oder Ähnliches. „Notwendiges Übel“, „Unter meiner Würde“ oder „OK, heute bin ich dran“.
Manchmal gibt es eine Dienstleistungsmentalität. Jemand der nicht gerne putzt und genug verdient, macht das auch nicht mehr und lässt dies andere tun. Gibt es dann auch eine Wertschätzungsmentalität? Mehr als nur ein Lohn?
„Gebt ihr Anteil am Ertrag ihrer Hände, denn ihre Werke rühmen sie in den Stadttoren!“
Manchmal wird eine Arbeit von jemandem gar nicht gesehen. Ja, sie gilt als solch eine Selbstverständlichkeit, dass sie nie erwähnt wird.
Carearbeit zählt dazu, wenn Menschen jemanden Tag für Tag betreuen.
Hausarbeit zählt dazu, weil sie immer wieder neu anfällt.
Sisyphos- steht ja in der griechischen Antike als Beispiel für den Menschen, der immer den gleichen Stein den Berg hinaufschiebt und der selbst rollt dann direkt wieder hinab.
Es gibt Sisyphosarbeiten in der Welt, keine Frage. Aber es ist eben schön, wenn wir einen Moment verweilen können, wenn der Stein mal oben ist: „Siehst du, das hast du schon mal geschafft.“
„Gebt ihr Anteil am Ertrag ihrer Hände, denn ihre Werke rühmen sie in den Stadttoren!“
Es stellt sich immer noch die Frage nach der Wertschätzung. In den Sprüchen geht es um Ertragsbeteiligung und darum, dass das Ergebnis selbst schon die Frau rühmt, im Stadttor, also in der damaligen Öffentlichkeit.
Auf dem Kirchensonntag gab es hinterher noch mehr Aufgaben. Nach dem Austeilen der Suppe sammelten wir Pfarrerinnen und Pfarrer dann auch die leeren Schüsseln wieder ein. Auf den einen Tischen waren die Suppenschüsseln schon gestapelt. Wir Wegräumenden konnten sie einfach mitnehmen. Im besten Fall wurden sie uns sogar angereicht. An anderen Tischen stand jede Schüssel alleine da, ja es klebte noch eine zerknüllte Serviette darin. Es gab einen Applaus für alle Helfenden. Wer sich allerdings nicht auch selbst einen Spass daraus machen konnte, der ist vielleicht anderthalb Stunden gehetzt in einem riesigen Festzelt mit einem Tablett und klebrigen Servietten herumgelaufen.
Wer sich sagte: „Wie schön, dass wir hier alle zusammen sind und dass das mit der Suppe funktioniert.“, der oder die hatte eine für sich sinnvolle Aufgabe an einem Sonntagmittag.
Ich denke: Es ist ein Wechselspiel mit dem Wertschätzen von aussen und dem eigenen Respekt vor dem, was ich tue.
In den Sprüchen wird die Frau wertschätzend beschrieben: „Mit Kraft umgürtet sie ihre Hüften und macht ihre Arme stark.“ Diese Worte werden in den Psalmen für Gott verwendet.
Das Schaffen einer Frau wird hier zum Bild für das Tun Gottes. Ein interessanter Gedanke bei den kleinen und grossen Schubkarren in unserem Leben.
Ihre Pfarrerin
Gabriele Weiss